Die Subjektive Didaktik Edmund Kösels

Die Subjektive Didaktik ist eine von Edmund Kösel in Freiburg entwickelte Theorie über das Lehren und Lernen. Sie geht davon aus, dass jeder Mensch eine eigene, einmalige Struktur entwickelt hat. Diese Struktur ist auch die Folie für Lernprozesse bei Lernenden und für Lehrprozesse bei Lehrenden. Wenn man sich diese Tatsache einmal klargemacht hat, gibt es viele Konsequenzen für ein anderes Lehr- und Lernverhalten in den Schulen und in den übrigen Bildungssystemen. Lernen ist demnach nicht mehr Übernahme von vorgefertigten Gedankenmuster der Lehrenden. Lernen ist eigenes Konstruieren von Wissen und von Sinn für das Leben.

Die Subjektive Didaktik hat sich sowohl als Theorie- systemischer Ansatz -als auch für didaktisches Handeln – als neue Handlungstheorie- bewährt, weil sie Orientierung und Autonomie gegenüber unerfüllbaren Forderungen und Erwartungen aus der Gesellschaft professionell abgrenzen und erklären kann.

Edmund Kösels Modellierung von Lernwelten

Der Subjektiven Didaktik zufolge (und das deckt sich sehr doch mit unserer eigenen Erfahrung) sind Lehrprozesse nur sehr bedingt planbar. Linear- kausales denken („wenn die Klasse dieses Team Task erfolgreich absolviert und wir das dann schön durchreflektieren wird die Klasse im Unterricht auch besser zusammenarbeiten“) und Lehren wird negiert. Kösel fordert von daher eine „Modellierung von Lernwelten“, die der Vielfalt der Ansprüche der Lernenden gerecht werden soll.

Unsere erlebnispädagogische Grundhaltung

Die subjektive Didaktik als pädagogische Grundhaltung

Edmund Kösels Subjektive Didaktik ist neben theoretischem Erklärungsmodell auch pädagogische Grundhaltung unserer erlebnispädagogischen Arbeitsweise.
Kösel proklamiert, dass Lehr- und Lernprozesse aufgrund der unglaublich vielen Einflussfaktoren nicht (und schon gar nicht linear- kausal) planbar sind. Das heißt also überspitzt, detaillierte Unterrichtsplanung ist Quatsch.  Das erfährt leidvoll jede*r Lehramtsstudent*in im Rahmen des Referendariats: Mensch wird genötigt in einer 24-Seitigen Unterrichtsplanung eine Modell- Lehrstunde zu kreieren und ebendieselbe minutiös im Klassenzimmer umzusetzen. Sorry, aber das ist Blödsinn!
Demnach sind Lernprozesse subjektiv und individuell. Ein Mensch der nicht lernen oder im aktuell vermittelten Stoff absolut keinen Sinn (intrinsische Motivation) sieht will lernt nicht.

Bestenfalls führt dies zu konditionierten Stoffreproduktion (siehe auch Gerald Hüthers toller Vortrag hier). Und das kennen wir alle zur Genüge aus der Schule. Voraussetzung für nachhaltige, sinnvolle Lernprozesse ist also die Möglichkeit, die angebotenen Inhalte subjektiv zu verwerten. Dies wiederum bedeutet, dass wir lediglich Angebote machen können, die vom Lernenden angenommen werden oder eben nicht. Kösel spricht hier vom „Modellieren von Lernwelten“.

Alte Mythen

„Alten Mythen“, wie z.B. der linear-kausalen Planbarkeit von Lernprozessen begegnet Kösel mit der Forderung nach einem „postmodernen Paradigmenwechsel“, insbesondere der Didaktik. Dies erfordert unter anderem die grundlegende Reflexion des eigenen Welt- und Menschenbildes. Demzufolge ergeben sich aus dieser pädagogischen Grundhaltung ergeben sich Forderungen an heute Lehrende:

  • Das Bewusstsein von Pluralität
  • Die Dezentralisierung und Organisation in regionalen Zentren, also globales Denken und lokales Handeln auch im Sinne einer neuen Ökologischen- wie Ökonomischen Bewusstheit
  • Die Bereitschaft, verantwortlich zu entscheiden und individuelle Werte und Normen zu entwickeln, uns persönlich zu verantworten und wieder zu lernen, authentisch zu empfinden
  • Die Balance zwischen Körper und Geist zu finden
  • Das Kind als autonome Persönlichkeit achten zu lernen
  • Das Lernen selbst einen lebendigen Prozess werden zu lassen
Alte Mythen der Pädagogik gibt es viele. Die subjektive Didaktik räumt damit auf!

Neue Zeit und neues Denken

Eine neue Zeit erfordert gemäß der Subjektiven Didaktik ein neues Denken und Handeln. Und dies ist damit verbunden, wieder zu lernen, den Kosmos ganzheitlich (systemisch) zu begreifen. Die Welt als „untrennbar miteinander zusammenhängende organisch- dynamische Wirklichkeit, als komplexes Netz von Beziehungen zu verstehen. Und gleichzeitig Pluralität und Vielheit als Ausdruck dieses lebendigen Kosmos zu begreifen.

Sein eigenes Leben allein und verantwortlich in die Hand zu nehmen und innerhalb der vielen Lernwelten zurechtzukommen ist wohl eines der Hauptlernziele bereits im Kindergarten, dann in der Schule und in der beruflichen Ausbildung, das die junge Generation für sich selbst und allein erproben muss. Die Diskussionen um Schlüsselqualifikationen- z.B. Flexibilität, Teamfähigkeit- kreisen um dieses Problem.

Die subjektive Didaktik basiert auf den Erkenntnissen des Konstruktivismus

Wissenschaftliche Grundlagen

Die Subjektive Didaktik basiert auf Erkenntnissen aus dem Konstruktivismus sowie der Theorie lebender Systeme. Der Konstruktivismus liefert ausreichend „Futter“ warum es kein allgemeingültiges „Richtig“ in Bezug auf die Planung von Lernprozessen geben kann Der Blick durch die systemische Brille lässt erkennen: Menschen sind zu unterschiedlich und zu vielfältig sind als dass wir alle zur gleichen Zeit im gleichen Rahmen die gleichen Inhalte gleich gut verinnerlichen könnten.
Eine weitere Forderung Kösels ist die nach „autobiografischer Selbstreflexion“ aller Menschen im lehrenden Kontext. Wir sagen dazu: „Wenn Du für und mit Menschen arbeiten möchtest musst Du selbst Deine Hausaufgaben gemacht haben“!

Zum Autor

Leif ist nunmehr offiziell über die Hälfte seines Lebens in der Erlebnispädagogik unterwegs. Und wird nicht müde daran zu erinnern, dass er ohne Edmund Kösel vermutlich ganz woanders gelandet wäre. Insofern und von Herzen:

Danke Edmund!

Leif Cornelissen, Diplom- und Erlebnispädagoge