Barfußlaufen im Winter – So geht’s!

Ein halbes Jahr in einem VW-Bus leben? Kein Problem! Digeridoo spielen? Klar! Slackline, Bouldern, Windsurfen? Schon gemacht. Unsere ErlebnispädagogInnen sind für ihre Abenteuer- und Lebenslust bekannt… Kein Wunder also, dass Sarah eines Tages auf die Idee kam, ein ganzes Jahr barfuß zu verbringen – auch den Winter.

  • Moment, aber ist sie dann nicht ständig krank?
  • Friert sie dann nicht am Boden fest?
  • Oder hat Frostbeulen an den Füßen?
  • Gibt es gesundheitlichen Vorteile im Winter barfuß unterwegs zu sein?
  • Und was sagen eigentlich ihre Nachbarn dazu…?

Wir haben Sie eingeladen ihre Erfahrungen mit dem Barfußlebensstil hier mit Dir zu teilen.

„Mach doch was du willst“.
Ich erinnere mich als Kind ganze Sommer ohne Schuhe verbracht zu haben: Im Freibad. Auf dem Bolzplatz. Am Meer. Erst in meiner Jugend schlich sich der Glaube ein, ohne Schuhe nicht gut zu Fuß zu sein…

Erst Jahre später durfte ich wieder entdecken, wie gut es mir tut, mit nackten Füßen auf einer Wiese zu stehen, das Gras an den Fußsohlen kitzeln zu fühlen. Oder wie lustig es ist, barfuß durch den Matsch zu laufen – wenn sich der Schlamm zwischen den Zehen durchquetscht.

Ich habe 2016 mit dem Barfußlaufen begonnen – genau zu der Zeit, als mein Praktikum bei N.E.W. in der Zweigstelle Mainz voll im Gange war: Durch die Schullandheime, die ich in der Zeit begleiten durfte, um in den Beruf der Erlebnispädagogin hineinzuschnuppern, habe ich die unterschiedlichsten TrainerInnen kennengelernt. Einer von ihnen waren ein ganzes Jahr in Indien unterwegs – nur mit dem Fahrrad. Der andere schnitzte jeden Abend am Lagerfeuer einen Holzlöffel. Die Nächste summte immer gedankenverloren irgendein Lied vor sich her, ganz egal, was irgendjemand von ihr dachte… Das hat etwas in mir bewegt.

Denn so unterschiedlich diese Menschen auch sind, eines verbindet sie doch. Ich kam schnell dahinter, dass sie eine gemeinsame Philosophie des Lebens eint: Das zu tun, was sich für sich selbst richtig anfühlt… unabhängig davon, was die anderen darüber denken. „Das will ich auch“… war mein erster Gedanke. Mit so vielen Vorbildern fühlte ich mich inspiriert und plötzlich ganz mutig. „Wenn sich Barfußlaufen so gut anfühlt, warum tue ich das dann nicht viel öfters?“. Und da war sie, die Idee: 365 Tage im Jahr barfuß zu sein.

Damals hat es mir geholfen zuerst auf einer gesundheitlichen Perspektive zu verstehen, warum Barfußsein mir so guttut. Die wichtigsten Argumente waren für mich:

 

Stärkere Fußmuskulatur
Die Füße sind dein Bindeglied zum Boden, sie tragen dein gesamtes Körpergewicht und federn es ab. Das ist ihr Job und den machen sie gut – zumindest bis Schuhe ins Spiel kommen. Denn wenn wir unsere Füße mit Sneaker, Wanderschuhen und … „unterstützen“ schwächen wir gleichzeitig die Fußmuskulatur, die sich jetzt entspannt zurücklehnt und das Fußbett der Schuhe die ganze Arbeit machen lässt.

Bessere Körperhaltung
Die Füßes sind das Fundament, auf dem das Haus deines Körpers gebaut ist. Dann ist es auch logisch, dass es zu einer Schieflage des ganzen Gebäudes kommt, wenn die Bodenplatte einseitig absackt, oder? So kommt es, dass Fehlstellungen in der Hüfte oder Rückenschmerzen also ihre Ursache in unseren Füßen haben können. Wenn deine Fußmuskulatur zu schwach ist oder links und recht unterschiedlich stark ausgebildet ist, kann das weiter oben in deinem Körper zu Ausgleichsbewegungen führen, um die Balance zu halten.

Das ist ein wenig so, als würdest du (sehr mühevoll) versuchen den schiefen Turm von Pisa durch Stützen wieder aufzurichten – statt sein Fundament zu reparieren. Wenn du regelmäßig barfuß gehst – auch wenn es nur bei dir zuhause ist – betreibst du Sanierungsarbeiten an der Bodenplatte deines Körpers, stärkst dein Fundament und sorgst dafür, dass Stützmaßnahmen gar nicht erst nötig sind.

 

Nie wieder kalte Füße
Für die Gesundheit meiner Oma ist mein Barfußsein weniger gesundheitsförderlich: Sie gerät immer in regelrechte Schockzustände, wenn ich ohne Schuhe bei ihr im Hauseingang stehe – mit jedem Grad Celsius weniger auf dem Thermoeter, steigt ihr Entsetzen. „Du wirst doch krank, mit deinen kalten Füßen…“. Aber stimmt das?

Nein. Zutreffend ist sogar genau das Gegenteil: Barfußlaufen im Winter verstärk dein Immunsystem und schütz dich vor der Erkältung, statt sie dir einzubringen.

Bestimmt kennst du die Kneippkur, mit dem Wassertreten – oder das Wechselduschen, bei dem man sich erst warm und dann kalt abbraust (*brrrr*). Schon buddhistische Mönche und eben der Pfarrer Sebastian Kneipp schwörten auf die belebende Wirkung des Barfußlaufens. Die Idee dahinter ist, dass der Temperaturwechsel die Durchblutung anregt und unser Immunsystem aktiviert. „Kältereiz ist Lebensreiz“, so lässt sich Kneipps Philosophie zusammenfassen. Der Effekt, den ein kleiner Barfußspaziergang im Schnee auf dein Immunsystem hat, ist ähnlich.

(Vielleicht sollte ich das auch mal meiner Oma erklären.)

Solange du in Bewegung bleibst, reicht die Kälte nicht aus, um dir sofort eine Erkältung einzufangen. Vielmehr fördert es die Temperaturregulierung in deinem Körper. Es klingt zwar paradox, aber: Durch das Barfußlaufen im Winter bekomme ich viel seltener kalte Füße (Yeahy).

Ich erinnere mich noch, wie ich abends auf der Couch saß, meine Füße in zwei paar Socken auf einmal eingepackt (Baumwolle als Basisschicht und Kuschelsocken darüber) und immer noch das Gefühl hatte, meine Füße stünden in einem Eisbad. Heute besitze ich insgesamt weniger als fünf Paar Socken.

Barfußssein ist Freiheit
Barfußlaufen ist für mich mehr als nur der nächste Gesundheitstrend: Für mich ist es eine Lebensphilosophie. Die Möglichkeit ganz unvermittelt und unverfälscht den Boden unter den Füßen zu spüren… Vielleicht hilft Barfußlaufen ja auch für mehr phsychische Bodenhaftung? Ich jedenfalls fühle mich seitdem ich auf Schuhe verzichte irgendwie geerdeter. (Ein Effekt der sich nicht nur auf meine Körperhaltung, sondern mindestens genauso sehr auch auf meine geistige Haltung auswirkt. Barfuß lebt es sich irgendwie leichter.

Manchmal schein es mir so, als seien Schuhe das Letzte Hindernis, das ich ablegen musste, um mich unbeschwert und frei zu fühlen. Es gibt kaum etwas, das mich so einfach in einen glücksseeligen Zustand des Seins befördert, wie wenn ich barfuß im Bach stehe – das vorbeiströmende Wasser mich zwischen den Zehen kitzelt.

Und in Zukunft? Ich kann mir im Moment nicht vorstellen, meinen Alltag jemals wieder besohlt zu bestreiten. Dazu hab ich mich zu stark mit meinen Füßen angefreundet. Sie sind mir zu nah, um sie jetzt wieder in ihr Schuhgefängnis zu stecken.

Barfusslaufen

Barfußlaufen will gelernt sein – Praktische Tipps

Bevor du jetzt all deine Schuhe zum nächsten Altkleidercontainer bringst, will ich dir eine meiner wichtigsten Lektionen mit auf den Weg geben: Barfußlaufen will gelernt sein! Dein Körper wird eine ganze Weile brauchen, um sich umzustellen.

Ich spreche hier aus (schmerzlicher) persönlicher Erfahrung: Ich bin damals weit über’s Ziel hinausgeschossen. Habe ohne Eingewöhnungszeit begonnen meine 8 Kilometerrunde barfuß zu joggen. Ich habe fast 6 Wochen Schonzeit gebraucht um die Sehnenentzündung auszukurieren, die ich mir durch diesen Übermut eingeheimst habe. Autsch…

Taste dich also langsam an dein Barfußsein heran. Es sind die kleinen Dinge, die den Unterscheid machen. Du kannst jetzt gleich beginnen – ganz ohne Risiko.

Hausschuhe ausziehen – erst recht die Modelle mit starkem Fußbett. Wenn du dadurch anfangs häufig kalte Füße hast, gönn dir eine ausgiebige Fuß(selbst)massage zum Beispiel mit Kokosöl. Das fördert die Durchblutung und hat mir am Anfang wirklich geholfen, von zwei paar Couch-Socken auf ein paar zu reduzieren. Ganz zu schweigen davon, dass es sich genial anfühlt…

Im Garten trainieren – Beim nächsten Telefonat kannst du einfach ein paar Schritte über die Wiese gehen oder mal antesten, wie sich der Rindenmulch aus dem Blumenbeet unter deinen nackten Füßen anfühlt. Wenn du deine Reflexzonen aktivieren willst: Einfach mal über den Schotter laufen.

Erste Schritte wagen – Wenn deine Füße sich an ihre neue Freiheit gewöhnt haben, wird es Zeit ihnen die Welt zu zeigen. Mache mehrmals pro Woche kleine Spaziergänge. Ideal ist dafür der Sommer, da du in dieser Jahreszeit quasi inkognito unterwegs bist: Das „Komischer-Blick-Risiko“ sinkt auf ein Minimum, da alle bedacht sind die Kleidung auf das Nötigste zu reduzieren. Den meisten Menschen wird nicht mal auffallen, dass du keine Flipflops oder Sandalen trägst. Bis zum Herbst bist du so eingespielt, dass der Barfußspaziergang zu deiner täglichen Routine gehört.

Barfuß im Winter

 

Im Winter: Alles eine Frage der richtigen Temperatur
Wenn du dich über den Sommer an das Barfußlaufen gewöhnt hast, ist es einfach im Herbst auszuprobieren, wie lange du es ohne Schuhe aushältst. Meine Erfahrungen sind: Bis etwa 8 Grad Celsius können auch ungeübte BarfußanfängerInnen locker wegstecken, Fortgeschrittene können einen Barfußspaziergang auch bis knapp vor dem Gefrierpunkt aushalten.

Gerade am Anfang empfiehlt es sich zur Gewöhnung, wenn du lieber bei milden Temperaturen längere Spaziergänge machst (statt dich für wenige Minuten bei Minusgraden rauszuquälen).

Wichtige sind im Winter die Faktoren Bewegung und Zeit: Sobald du stehst, wird es sehr schwierig die Kälte an den Füßen auszuhalten, das Taubheitsgefühl stellt sich bei mir schon nach etwa 1 Minute ein. Also immer schön weiterlaufen. Doch auch wenn du bei einem 2 Kilometerspaziergang konstant in Bewegung bleibst, wird sich mit der Dauer irgendwann das Gefühl in deinen Füßen verabschieden – erst recht, wenn Schnee oder Eis im Spiel sind (richtig fies). Jetzt heißt es nach Hause gehen und aufwärmen.

Ice, Ice, Baby.
Ein kurzer Spaziergang im Neuschnee ist genial! Es fühlt sich ein bisschen an, wie auf (gefrorener) Zuckerwatte zu laufen. Trau dich und probier es aus. Eis dagegen kann unter den Füßen schon mal pieksen und ist es rutschig – ein Faktor, den du nicht vernachlässigen solltest.

Ein Trick ist es, den restlichen Körper richtig warm anzuziehen: Pack dich von Kopf bis Knöchel richtig warm ein: Mütze, Schal, Handschuhe, Daunenjacke. Ich ziehe zum Beispiel sehr gerne Stulpen an, damit die Kälte nicht von unten durchs Hosenbein heraufkriecht.

 

Ohne Schuhe geht immer

 

Und was denken die anderen?
Damit sind wir bei einem der, wie ich finde, spannendsten Aspekten des Barfußlaufens im Winter angekommen. Und der hat etwas mit einer roten Couch zu tun. Aber dazu gleich mehr.

Mal ganz ehrlich: Wir alle fürchten uns doch vor dem, was die anderen von uns denken… Menschen, denen wir nahestehen, wie unser Lebenspartner oder unsere Freunde. Aber auch vor dem was diejenigen von uns denken, dem Hundebesitzer, dem wir beim unserem Barfußspaziergang bei seiner morgendlichen Gassi-Runde begegnen. Wir fürchten uns vor ihren negativen Reaktionen.

Nicht zuletzt ist Barfußlaufen im Winter eine Chance die „Rote Couch“ zu verlassen und aus deiner Komfortzone herauszutreten – buchstäblich und sinnbildlich. Damit hast du dich Chance dein eigenes erlebnispädagogisches Experiment zu machen.

In der Theorie der Erlebnispädagogik gibt es das Komfortzonenmodell, das uns hilft zu verstehen unter welchen Bedingungen wir als Menschen am besten lernen und uns weiterentwickeln können. Wenn wir uns in der eigenen Komfortzone bewegen, dann machen wir die Dinge so, wie wir sie schon immer getan haben: ziehen uns im Winter dicke Stiefel an, wenn wir spazieren gehen.

Die Komfortzone kannst du dir als ein gemütliches, rotes Sofa vorstellen, das vor einem Kachelofen stehen, während es draußen stürmt: Hier kannst du dich entspannt zurücklehnen.

Leider (oder glücklicherweise?) hat die Lernpsychologie herausgefunden, dass wir uns nur wenig weiterentwickeln, solange wir auf dem roten Sofa sitzen und Kakao mit Sahnehäubchen trinken.

Veränderung und persönliches Wachstum finden in der Lernzone statt, dann wenn wir uns bewusst dem Ungewohnten aussetzen. In der Lernzone überschreitest du deine subjektiven Grenzen: Falls du jetzt an Felsklettern, Achterbahnfahren oder Bunjeejumping denkst, ist das zwar richtig: Auch hier kannst du dich in deine Lernzone begeben. Aber oftmals präsentieren sich uns auch in unserem Alltag Gelegenheiten an unseren subjektiven Grenzen zu wachsen… nur subtiler. Barfußlaufen, während deine Nachbarn mit Thermosocken in Wanderschuhen Schnee schippen und dich von der Seite interessiert beobachten kann eine solche Herausforderung sein. Dürfen wir dir einen Tipp geben? Nimm Sie an!

Denn je öfter wir uns aus unserer Komfortzone herausbewegen und neue Erfahrungen machen, desto größer wird deine Komfortzone! Es gibt dann weniger, das dich aus der Ruhe bringt.

Fazit zum Barfußlaufen im Winter

Es lohnt sich nicht nur für die körperliche Gesundheit, sondern auch für dein persönliches Wachstum – gerade im Winter – öfters auch mal „unten ohne“ unterwegs zu sein.

Barfuss

 

Zurück zur Übersicht